USA 25. Apr 2025

Ringen um Antisemitismus auf dem Campus

Der Brown-University-Campus mit Sayles Hall im Hintergrund.

Jüdische Studenten und Absolventen in den USA beklagendie «Instrumentalisierung des Antisemitismus».

Dutzende von Rabbinern und Kantoren, die Alumni der Brown University sind, haben eine Botschaft an die Präsidentin ihrer Alma Mater: «Geben Sie die Kontrolle nicht an diejenigen ab, die Antisemitismus als Waffe einsetzen.» Die Botschaft wurde in einem offenen Brief an die Präsidentin Christina Paxson gerichtet, die momentan überlegen muss, wie sie auf die von der Trump-Regierung angedrohte Kürzung der Finanzmittel um 500 Millionen Dollar reagieren soll, angeblich aufgrund von Browns Umgang mit Antisemitismus auf dem Campus.

Brown ist eine von der sich häufenden Anzahl an Universitäten, viele davon in der Ivy League, die von ähnlichen Kürzungen durch die US-Regierung bedroht sind. Während die Liste immer länger wird und die Trump-Regierung Vergeltungsmassnahmen gegen die Harvard University, die sich ihrem Druck widersetzt hat, ergreift, lehnen jüdische Studierende, Alumni und andere Gruppen offen Massnahmen ab, die laut dem Weissen Haus zu ihrem Schutz gedacht sind.

Jüdische Studenten wehren sich
In der vergangenen Woche haben Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft in Harvard, am Emerson College, an der Georgetown University und an weiteren Universitäten ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht. In Harvard unterzeichneten mehr als 100 jüdische Studenten einen Brief, in dem sie die Ankündigung der Trump-Regierung Anfang des Monats verurteilten, 9 Milliarden Dollar an Bundesmitteln für die Schule zu überprüfen. Der Brief, welcher vom Präsidenten von Harvard nicht berücksichtigt wird, wurde verfasst, bevor die Regierung diese Woche 2,2 Milliarden Dollar an Fördermitteln einfror.

«Wir sehen uns gezwungen, unsere Stimme zu erheben, weil diese Massnahmen im Namen unseres – der jüdischen Studenten von Harvard – Schutzes vor Antisemitismus ergriffen werden», schrieben die Studenten laut «The Harvard Crimson». «Aber dieses harte Durchgreifen wird uns nicht schützen. Im Gegenteil, wir wissen, dass die Mittelkürzungen der Campus-Gemeinschaft, der wir angehören und die uns sehr am Herzen liegt, schaden werden.»

Harvard Hillel äusserte sich in einer Erklärung am Freitag, dass die Massnahmen der Trump-Regierung den Juden auf dem Campus schaden. «Der derzeitige, eskalierende Angriff der Bundesbehörden auf Harvard – die Schliessung unpolitischer, lebensrettender Forschung, die Infragestellung der Steuerbefreiung der Universität und die Bedrohung aller Studentenvisa, einschliesslich derjenigen israelischer Studenten, die stolze Veteranen der israelischen Verteidigungskräfte sind und sich auf dem Campus vehement für Israel einsetzen – ist weder zielgerichtet noch massvoll und wird genau den jüdischen Studenten und Wissenschaftlern, die angeblich geschützt werden sollen, erheblich schaden», heisst es in der Erklärung.

Offene Briefe von mehreren Universitäten
Mehr als ein Dutzend jüdische Fakultätsmitglieder in Emerson unterzeichneten einen am Mittwoch im «Berkeley Beacon» veröffentlichten Brief, in dem sie ihre Besorgnis über die «Instrumentalisierung des Antisemitismus» im Interesse der Agenda der Trump-Regierung zum Ausdruck brachten. «Dies ist ein offensichtlicher Versuch der Trump-Regierung, Macht zu konzentrieren und die Unabhängigkeit der Universitäten unter dem beleidigenden Vorwand des ‹Schutzes jüdischer Studenten› zu untergraben», heisst es in dem Brief.

In Georgetown unterzeichneten mehr als 170 jüdische Studenten, Dozenten, Mitarbeiter und Alumni ein Schreiben, in dem sie die Inhaftierung des Georgetown-Forschers Badar Khan Suri im vergangenen Monat verurteilten. Seine Festnahme war Teil einer Reihe von Verhaftungen propalästinensischer Aktivisten durch die US-Regierung, um Antisemitismus auf dem Campus einzudämmen. Ebenfalls schlossen sich kürzlich Dutzende jüdischer Gruppen einem Amicus-Schreiben zur Unterstützung einer Studentin der Tufts University an, die wegen eines israelkritischen Artikels in einer Studentenzeitung festgenommen wurde.

Kritik kommt auch aus Israel. Am Donnerstag prangerten mehr als 170 israelische Akademiker die Verhaftungen der Regierung in einem offenen Brief an, in dem sie schrieben, dass «solche drakonischen Massnahmen uns nicht schützen» und die «zynische Berufung auf den ‹Kampf gegen Antisemitismus›» als Grund für die Massnahmen der Administration anprangerten.

Kritik, aber auch Unterstützung
Doch nicht nur Hochschulangehörige wehren sich gegen die Kampagne der Trump-Regierung gegen die Hochschulbildung. Zehn grosse jüdische Organisationen, da-runter führende Vertreter der Reform-, der konservativen und der rekonstruktivistischen Bewegungen, haben am Dienstag eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie die «trügerische Wahl» zwischen jüdischer Sicherheit auf dem Campus und Demokratie zurückweisen. «Wir lehnen jede Politik oder Aktion ab, die Antisemitismus schürt oder ausnutzt und Gemeinschaften gegeneinander ausspielt; und wir verurteilen unmissverständlich die Ausnutzung der realen Sorgen unserer Gemeinschaft über Antisemitismus, um demokratische Normen und Rechte zu untergraben, einschliesslich der Rechtsstaatlichkeit, des Rechts auf ein ordentliches Verfahren und/oder der Rede- und der Pressefreiheit und des Rechtes auf friedlichen Protest», heisst es in der Erklärung.

Doch es gibt auch jüdische Unterstützer der Massnahmen, insbesondere wenn es darum geht, die Visa von Studenten zu streichen, die sich gegen Israel engagieren. Mehrere Aktivistengruppen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Studenten zu identifizieren und dem Weissen Haus über sie zu berichten. Der finanzielle Druck auf die Universitäten findet ebenfalls jüdische Befürwortung.

Äusserungen von ADL
Es mehren sich jedoch die Anzeichen, dass die Mittelkürzungen – bisher stehen Milliarden von Dollar auf dem Spiel – selbst die Interessen der ehrgeizigsten Kritiker des Antisemitismus an den Hochschulen übertroffen haben könnten. Am Freitagmorgen verschärfte der Geschäftsführer der Anti-Defamation League, Jonathan Greenblatt, seine Kritik an der Hochschulpolitik der Trump-Regierung. Laut ihm hätten Harvard und andere Schulen echte He-rausforderungen in Bezug auf Antisemitismus zu bewältigen und würden sich eher durch Unterstützung als durch harte Strafen verbessern. Wenn, sollten Strafen nur in seltenen Fällen verhängt und sehr gezielt eingesetzt werden.

«Im Kampf gegen Antisemitismus muss es um Antisemitismus gehen – nicht mehr und nicht weniger», so Greenblatt in einer Erklärung. «Die Lösung der sehr realen Krise des Antisemitismus sollte nicht den gesamten Betrieb unseres Hochschulsystems gefährden», fügte er hinzu. «Wir sollten in der Lage sein, Institutionen für den Schutz jüdischer Studenten, Dozenten und Mitarbeiter zur Rechenschaft zu ziehen und gleichzeitig das Bekenntnis zur akademischen Freiheit und unabhängigen Forschung aufrechtzuerhalten. Nicht mehr und nicht weniger.»

Grace Gilson